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Causa Wen: Haben wir in China aufs falsche Pferd gesetzt?

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Von CHRISTIAN GEINITZ

Über die vermeintliche Bereicherung der Familie des chinesischen Regierungschefs zeigen sich die Industrieländer viel entsetzter als die Asiaten selbst. Wen Jiabaos Landsleute sind mit Korruption und Machtmissbrauch großgeworden. Demgegenüber haben im Westen viele Politiker, Wirtschaftsvertreter und Teile der Öffentlichkeit die Kleptokratie in Peking bisher nicht sehen wollen und tun deshalb jetzt überrascht. Gerade Wen galt vielen als Saubermann – weil man in seiner Amtszeit so schöne Geschäfte machen konnte.

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Besonders stark hat davon Deutschland profitiert. In den zehn Jahren, die Wen an der Macht war, hat sich die deutsche Ausfuhr nach China verfünffacht und der Import vervierfacht. Die Werte beeindrucken selbst im Vergleich mit den anderen BRIC-Ländern. Innerhalb der EU ist die Bundesrepublik heute für fast ein Drittel des Handelsvolumens mit China verantwortlich, sogar zusammengenommen bringen Frankreich, Großbritannien und Italien weniger auf die Waage.

Unter Wens Ägide ist China zum wichtigsten außereuropäischen Handelspartner der Deutschen neben Amerika geworden. Alle zweieinhalb Tage wickeln der Exportweltmeister und sein Vize untereinander ein Handelsvolumen von einer Milliarde Euro ab. Für die deutsche Automobilindustrie oder den Maschinenbau ist das asiatische Land inzwischen der größte Markt. Siemens beschäftigt hier 43.000 Mitarbeiter, Volkswagen 48.000. Fast jedes dritte Fahrzeug des Autokonzerns wird in China verkauft, in den Ausbau seines Geschäfts hier investieren er und seine Partner 14 Milliarden Euro. Auch für Mercedes, BMW und Porsche wird das Land in absehbarer Zeit zum Hauptmarkt heranreifen.

Angesichts dieser Abhängigkeit lassen Wirtschaft und Politik fünfe gerade sein in China, einem Land, in dem nicht nur die Korruption Urstände feiert, sondern auch eklatante Menschenrechtsverletzungen. Bundeskanzlerin Angela Merkel ist heute China gegenüber fast so handzahm wie ihr Vorgänger Gerhard Schröder. Der mochte bekanntlich nicht nur Wen, sondern auch andere lupenreine Demokraten wie den russischen „Präsidenten-Premier” Wladimir Putin.

Doch auch autoritäre Führer haben das Recht auf die Unschuldsvermutung, jedenfalls nach unseren westlichen Maßstäben. Deshalb sollte man eines an dieser Stelle klipp und klar sagen: Viele Dinge in der Causa Wen sind noch völlig ungeklärt, nicht nur Details, sondern auch Elementares. Ob etwa Wen sich selbst bereichert hat, oder ob der Vermögenszuwachs seines Clas überhaupt illegal ist. Die Informationen der „New York Times”, wonach die Familie 2,7 Milliarden Dollar angehäuft hat, sind bemerkenswert und haben sicher Geschmäckle. Doch erstens wissen wir nicht, ob diese Zahlen stimmen. Zweitens würde die Familie damit nur auf Position 16 in der Hurun-Liste der reichsten Chinesen rangieren. Und drittens können auch die amerikanischen Rechercheure bisher nichts Justiziables daran finden.

In China unterliegen der Amtsträger und seine engste Familie strengen Offenlegungsvorschriften, nicht aber die weitere Verwandtschaft, um die es im vorliegenden Falle geht. Hinzu kommt, dass das chinesische Wertpapierhandelsgesetz nicht halb so rigoros formuliert ist, geschweige denn ähnlich streng angewandt wird wie das der Ersten Welt. Etwa beim Verdacht auf Insidergeschäfte, die Wens Clan reich gemacht haben sollen.

Besonders wichtig ist zudem, dass das Ausland aufpassen muss, in dieser Angelegenheit nicht in einen innerchinesischen Machtkampf hineingezogen zu werden. Wen und sein Lager der vorsichtigen Reformer haben viele Feinde, vor allem, seit sie den Hoffnungsträger der linken Populisten und Retro-Maoisten gestürzt haben, den ehemaligen Parteichef der Stadtprovinz Chongqing, Bo Xilai. Dessen Anhänger, vielleicht aber auch andere Kräfte – etwa die Nationalisten – könnten versuchen, Wen auf den letzten Metern zu Fall zu bringen. Etwa durch gezielte Indiskretionen zu seinem Geschäftsgebaren.

Wir sollten nicht vergessen, dass in Kürze, am 8. November, der Parteitag der regierenden Kommunisten beginnt. Hier wird der wichtigste Führungswechsel seit zehn Jahren beschlossen und darüber befunden, ob und wie es mit den Reformen im bevölkerungsreichsten Staat der Welt weitergehen soll. Auch Wen muss sein Amt abgeben, er will den Staffelstab zur moderaten Öffnung des Landes aber weiterreichen. Nichts wäre ihm hinderlicher dabei, als wenn er zuvor bei seinen Genossen sowie in der nationalen und internationalen Öffentlichkeit an Vertrauen einbüßte.

Es ist also sehr schwer zu sagen, ob der Westen mit Wen aufs falsche Pferd gesetzt hat. Es könnte durchaus sein, dass sein Rennstall trotz aller Fragwürdigkeiten noch vergleichsweise sauber war. Aber wie schnell die neuen Rosse rennen – und vor allem in welche Richtung -, das werden wir erst nach dem Machtwechsel sehen.

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Foto: dapd

von itzi erschienen in Akte Asien ein Blog von FAZ.NET.


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